In den vergangenen Jahren hat sich das Engagement der Kirchen in Abstimmungskämpfen drastisch intensiviert. So kämpften die öffentlich-rechtlichen Institute zwischen 2013 und 2018 noch unkoordiniert und lediglich in vereinzelten Kantonen gegen die Masseneinwanderungs-, die No-Billag- und die Selbstbestimmungsinitiative. Seit 2020 zeichnet sich jedoch eine sich verschärfende Entwicklung im politischen Aktivismus der Landeskirche ab. So unterstützte der Rat der Evangelisch-reformierten Kirchen Schweiz das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und im selben Jahr unterstützen die Landeskirchen mit einem eigenen Komitee die im Volk stark umstrittene Konzernverantwortungsinitiative. Zusammenhalt schaffen und fördern, wie es von den Kirchen propagandiert wird, sieht anders aus. Man frage sich daher zu Recht, ob dieses Engagement im Sinne der Bevölkerung ist.

Doch diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Als junge Liberale schreiben wir der Bevölkerung unsere politische Haltung nicht vor. Mit der Ablehnung der Motion zur Befreiung der juristischen Personen von dem Obligatorium der Kirchensteuer, hat der Grosse Rat jedoch die Chance zur Behebung eines Systemfehlers in unserem liberalen Rechtsstaat verpasst. Anders als natürliche Personen, welche über die Freiheit zur Meinungsbildung und selbständigen Entscheidung verfügen, werden juristische Personen im Kanton Thurgau zur Entrichtung der Kirchensteuer gezwungen. Dies schafft diverse Missstände. So werden bspw. Personen, welche privat bereits aus der Kirche ausgetreten sind oder eine andere Glaubensrichtung praktizieren, über ihre Firma weiterhin von den Kirchen berappt. Auch die sich häufenden Kirchenaustritte bestätigen, dass immer weniger Personen Teil dieser Institute sein wollen und trotzdem werden die Kirchen staatlich bevorzugt behandelt. Wieso?

In diesem Zusammenhang wird von den Befürwortern oft die Erbringung von staatlichen Aufgaben durch die Kirchen genannt. Doch nehmen die Kirchen wirklich staatliche Aufgaben wahr? So liegt auf der Hand, dass sehr viele Bereiche der kirchlichen Tätigkeiten keine staatliche Aufgabenerfüllung darstellen. Dies betrifft insbesondere die Durchführung von Gottesdiensten oder den Unterhalt der Sakralbauten. Schliesslich würden solche Aufgaben dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates zuwiderlaufen. Aber auch andere Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Seelsorge, müssen kritisch hinterfragt werden. Zum einen handelt es sich hier um ein staatliches Monopol und zum anderen ist dessen Zuordnung im Tätigkeitsgebiet der Kirchen fragwürdig. So können auch andere staatliche Institute, wie beispielsweise der Kantonsspital Thurgau diese Aufgaben erfüllen und bei der Erbringung der Dienstleistung sogar noch besser von bestehenden Synergien Gebrauch machen.

Das Scheitern der Abschaffung des Obligatoriums der Kirchensteuer für juristische Personen, hat den Jungfreisinnigen Thurgau gezeigt, dass neben der Finanzierungsfrage auch die Frage der Aufgabenverteilung gestellt werden muss. Die Jungfreisinnigen Thurgau sind daher über die Ablehnung der Motion zwar enttäuscht, sie blicken jedoch optimistisch in die Zukunft und werden sich auch weiterhin für einen laizistischen Staat einsetzen.

Enrique CastelarPräsident